Im folgenden Beitrag beleuchtet der Diplomtheologe und Medienbeauftragte der Vertretung des Moskauer Patriarchats in Deutschland Nikolaus Thon die Geschichte der Russischen Orthodoxen Kirche in Deutschland: „Fern der Heimat den Wurzeln treu geblieben: Russisch-Orthodoxe Kirche in Deutschland“(1995).
- Die heutige Lage
- Russische Emigration nach 1945
- Die Folgen zweier Weltkriege
- Die 2 Weltkriege
- 17. bis Anfang 20. Jahrhundert
Die heutige Lage
Mit dem Zusammenbruch des Kommunismus in der Sowjetunion und der Öffnung der Grenzen änderte sich allerdings diese Zahl in kürzester Zeit wieder: Binnen weniger Jahre kamen schätzungsweise an die 80 000 getaufte russische orthodoxe Christen nach Deutschland, von denen allerdings viele noch keine engere Bindung an die Kirche entwickelt haben. Etliche prägen jetzt das Leben der Gemeinden und haben dort eine echte Wiederbelebung des Gemeindelebens bewirkt, denn zum einen handelt es sich überwiegend um jüngere Menschen, zum anderen ist ihre Bindung an das Heimatland viel enger als bei den alten Gemeindemitgliedern aus der Emigration. So sind an etlichen Orten inzwischen neue lebendige Pfarreien mit Sonntagsschulen und Sozialeinrichtungen entstanden.
Der neuen politischen Entwicklung in Deutschland hat das Moskauer Patriarchat Rechnung getragen, indem es die drei Diözesen in Deutschland im Dezember 1992 zu einer einzigen Berliner Diözese der Kirche zusammengefasst hat, vom Senator für kulturelle Angelegenheiten in Berlin 1992 der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen worden ist. Erster Vorsteher der vereinten deutschen Diözese wurde Erzbischof Feofan (Galinski). Die bisherige Diözese von Düsseldorf wurde zur Ständigen Vertretung der Russischen Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats in Deutschland erhoben. Ihr ist die Wahrnehmung aller Angelegenheiten von Kontakten zu kirchlichen, staatlichen, sozialen und anderen vergleichbaren Institutionen in Deutschland übertragen worden. Als Ständiger Vertreter amtiert der frühere Bischof von Düsseldorf Erzbischof Longin (Talypin) von Klin.
In einigen Gemeinden des Moskauer Patriarchats werden trotz der deutlichen Zunahme der russischsprachigen Gläubigen weiterhin nicht nur russischem sondern auch deutsche Gottesdienste gefeiert, denn viele Gemeinden sind multinational zusammengesetzt. Etwa die Hälfte der Geistlichen sind Deutsche. Die Zeitschrift der Berliner Diözese “Stimme der Orthodoxie” wird in deutscher Sprache publiziert, der Kurier der Düsseldorfer Vertretung “Pokrow” hingegen überwiegend in Russisch.
Trotz aller Versuche, die Abspaltung von der Russischen Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats zu heilen, ist dies bis heute nicht gelungen. Wenn auch in jüngerer Zeit Kontakte zwischen dem Moskauer Patriarchat und der Auslandskirche geknüpft werden konnten, ist es offenbar doch noch ein weiter Weg bis zu einer Rückkehr der Auslandssynode zur Mutterkirche.
Aus der Überzeugung heraus, dass das kirchliche Handeln orthodoxer Gemeinden in Deutschland der innerorthodoxen Einheit Rechnung tragen muss, haben die orthodoxen Kirchen, die in diesem Land durch Bistümer oder Gemeinden vertreten sind, am 12. Mai 1994 in Dortmund eine gemeinsame “Kommission der Orthodoxen Kirchen in Deutschland” gegründet. Ihr gehören alle sechs kanonischen orthodoxen Kirchen des Landes an, nämlich:
- das Ökumenische Patriarchat mit der Griechisch-Orthodoxen Metropolie von Deutschland und dem Erzbistum der orthodoxen russischen Gemeinden in Westeuropa;
- die Griechisch-Orthodoxe Kirche von Antiochien mit dem Exarchat von Westeuropa;
- die Russisch-Orthodoxe Kirche mit der Berliner Diözese des Moskauer Patriarchates;
- die Serbische Orthodoxe Kirche mit der Diözese für Mitteleuropa;
- die Rumänische Orthodoxe Kirche mit der Metropolie für Deutschland und Zentraleuropa;
- die Bulgarische Orthodoxe Kirche mit der Diözese von West- und Mitteleuropa.
Russische Emigration nach 1945
Die Bevölkerungsumschichtungen am Ende des Krieges brachten mit sich, dass erneut eine große Zahl orthodoxer Christen aus den osteuropäischen Ländern nach Deutschland kamen. Es handelte sich zum einen um ehemalige verschleppte Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene, Zivilinternierte und Häftlinge aus Konzentrationslagern. Zum andern waren es aber auch Hilfswillige und Kollaborateure, die im Krieg auf deutscher Seite gekämpft hatten, ja, ganze Truppenteile, die geglaubt hatten, mit Hitler das kleinere Übel gegenüber dem stalinistischen Bolschewismus zu wählen. Zusammen mit all den anderen Menschen, die es aus Osteuropa nach Deutschland verschlagen hatte, orthodoxer Christen aus, 1946 auf dem Gebiet der westlichen Besatzungszonen ins gesamt rund 150 russische orthodoxe Kirchen gezählt wurden, davon die meisten in Vertriebenen- und Flüchtlingslagern. Allerdings bestanden die meisten nur zeitweilig: Die Zahl der Gemeinden in Westdeutschland ging in den folgenden Jahren kontinuierlich zurück, da die Mehrzahl der Flüchtlinge so rasch wie möglich eine Übersiedlung nach Übersee anstrebte. So gab es in den drei westlichen Besatzungszonen 1949 nur noch 77 russischen Gemeinden mit 135 Geistlichen und rund 50 000 Gläubigen. Seit jener Zeit ist die Zahl stetig gesunken.
In Berlin und auf dem Territorium der damaligen sowjetischen Besatzungszone, der späteren Deutschen Demokratischen Republik, waren die dortigen russischen Gemeinden schon 1945 wieder in die Oberhoheit des Patriarchen von Moskau und der ganzen Rus aufgenommen worden. Für sie wurde die Diözese von Berlin und Mitteleuropa gebildet, die zeitweilig, von 1948 bis 1960 und wieder seit 1992, den Namen „Diözese von Berlin und Deutschland“ trug. Da allerdings die überwiegend aus alten und neuen Emigranten sowie aus von der Sowjetmacht Geflüchteten bestehenden russischen Gemeinden in den drei westlichen Besatzungszonen und in der späteren Bundesrepublik Deutschland nicht gewillt waren, sich einer Kirchenleitung zu unterstellen, die ihren Sitz im kommunistischen Machtbereich hatte, verweigerten sie sich einer Aussöhnung mit dem Patriarchen von Moskau. Sie blieben in der Auslandskirche, obwohl diese offiziell von keiner der autokephalen orthodoxen Kirchen als kanonisch anerkannt wird.
Die erste Gemeinde des Moskauer Patriarchates wurde erst 1960 in der Bundesrepublik Deutschland eingerichtet, als eine westdeutsche Diözese mit Sitz in München gegründet wurde, die 1971 in die Diözese von Baden und Bayern sowie die von Düsseldorf für die übrigen Bundesländer geteilt worden ist. Die meisten aktiven Gemeindemitglieder der westdeutschen Pfarreien des Moskauer Patriarchates waren zu dieser Zeit Konvertiten aus der römisch-katholischen oder den evangelischen Kirchen. Lediglich in Westberlin existierte bei der jetzt ebenfalls zum Moskauer Patriarchat gehörigen russischen Kathedrale in Wilmersdorf eine größere, russischstämmige Gemeinde. Eine weitere zahlenmäßig bedeutendere russische Pfarrei des Patriarchats gab es in Baden-Baden, bis ihr auf gerichtlichem Wege das alte Kirchengebäude entzogen und der Auslandskirche zugesprochen wurde. Insgesamt dürfte die Zahl der Mitglieder des Moskauer Patriarchates in den alten Bundesländern kaum mehr als 2 000 betragen haben.
Doch auch die Zahl der Gemeindemitglieder der Auslandskirche, deren Diözesanbischof, der ebenfalls den Titel „von Berlin und Deutschland“ trägt und zuerst in München, dann in Hamburg und jetzt wieder in München residiert, sank in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich, vor allem in den 70er und 80er Jahren, als die meisten der älteren Emigranten verstarben. Sie betrug um 1990 wohl nur noch etwa 6000 Menschen.
Die Folgen zweier Weltkriege
In der ganzen Zeit von 1914 bis in den Zweiten Weltkrieg wurde nur ein einziges orthodoxes Gotteshaus neu errichtet, und zwar die russische Kathedrale zu Berlin, die im November 1928 zunächst in der dritten Etage eines von der dortigen Gemeinde erworbenen Mietshauses eingerichtet worden war. Doch schon ein Jahr später wurde das Haus zwangsversteigert und die Gemeinde musste die benötigten Räumlichkeiten, auch einen Gottesdienstraum, anmieten
Archimandrit Tichon (Ljaschenko), der seit 1921 die Berliner Gemeinde leitete und 1924 von Metropolit Jewlogi (Georgijewski) zum Vikarbischof ordiniert worden war, war im November 1926 von der Synode der russischen Auslandsbischöfe zum Bischof von Berlin und Deutschland ernannt worden. Allerdings unterstellten sich ihm nicht alle in Deutschland befindlichen russischen Gemeinden, denn der Streit in der russischen Emigration begann, sich auch auf das orthodoxe Leben in Deutschland auszuwirken.
Der Hintergrund war, dass es in dieser Zeit zum Bruch zwischen dem Vikarbischof Tichon und seinem in Paris residierenden Metropoliten Jewlogi kam, dem Patriarch Tichon und der Petrograder Metropolit Wenjamin die Verwaltung aller russischen Kirchen in Westeuropa übertragen hatten. Zu dieser Zeit handelte Metropolit Jewlogi noch in Übereinstimmung sowohl mit der Heimatkirche des Moskauer Patriarchates als auch mit der Synode der Auslandsbischöfe. Als sich nun in Russland der antireligiöse Terror der kommunistischen Regierung steigerte und immer mehr Geistliche in Bedrängnis gerieten, vor allem aber Patriarch Tichon Loyalitätserklärungen gegenüber dem Sowjetstaat abgeben musste, argumentierte die inzwischen unter Leitung von Metropolit Antoni (Chrapowizki) gebildete Synode der Auslandsbischöfe, die auf Einladung der Serbischen Orthodoxen Kirche in Sremski Karlovci (Karlowatz in Syrmien) in Nord-Serbien eine Heimat gefunden hatte, dass eine reguläre kirchliche Gewalt in Russland nicht existiere, die so frei handeln könne, dass man ihr Gehorsam schulde. Ihrerseits legten sich die Auslandsbischöfe in politischen Fragen eindeutig auf die monarchistische Linie fest und forderten auf einem Konzil in Sremski Karlovci 1922 die Wiederherstellung des russischen Zarentums unter dem Großfürsten Kirill Wladimirowitsch als Zar Kirill 1. Daraufhin erklärte Patriarch Tichon am 18. März (1. April) 1922:
„1. Ich erkläre das Konzil des Auslandsklerus und der Laien in Karlovci für bar kanonischer Bedeutung; seine Botschaft über die Wiederherstellung der Dynastie Romanow und sein Sendschreiben an die Konferenz zu Genua drücken nicht die offizielle Stimme der Russischen Kirche aus.
2. Angesichts dessen, dass sich die russische Kirchenleitung im Ausland auf das Gebiet der politischen Aktionen begibt, … halte ich dafür, die Oberste Kirchenleitung im Ausland aufzulösen….“.
Während Metropolit Jewlogi dem Patriarchen weiter die Treue hielt und ihm Gehorsam leistete, erklärte die Synode in Karlovci die Auflösungsverfügung Patriarch Tichons für ungültig, da sie von den sowjetischen Machthabern erzwungen worden sei, und begann mit der Organisation einer eigenständigen „Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland“. Diese Entwicklung führte 1926 auch zu dem erwähnten Bruch in der russischen Emigration in Deutschland und zur Spaltung der Gemeinden.
Nachdem der Nationalsozialismus in Deutschland 1933 zur herrschenden politischen Kraft geworden war und sein diktatorisches Regime errichtet hatte, begann auch die „Gleichschaltung“ der orthodoxen Gemeinden, nämlich durch die Verleihung des Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an die „Russisch-Orthodoxe Diözese des Orthodoxen Bischofs von Berlin und Deutschland“, wie sich das Bistum in der Synode der Auslandsbischöfe nannte, durch das Preußische Staatsministerium am 14. März 1936 und wenig später, am 25. Februar 1938, durch ein vom „Führer und Reichskanzler“ Adolf Hitler unterzeichnetes „Gesetz über den Grundbesitz der russisch-orthodoxen Kirche“, wurde ermöglicht, den gesamten alten russischen Kirchenbesitz, vor allem die Gottesdiensträume, der Exilsynode zu übergeben. Dies zwang die bislang Metropolit Jewlogi unterstehenden Geistlichen, entweder zu Bischof Tichon überzuwechseln oder ihre Pfarreien aufzugeben beziehungsweise obdachlos zu werden.
Einen weiteren deutlich sichtbaren Ausdruck fand die Unterstützung der Synode der russischen Auslandsbischöfe und ihres Vertreters in Deutschland, Bischof Tichon, durch die nationalsozialistische Deutsche Reichsregierung schon im Jahre 1935. Der Kathedralgemeinde wurde mit Unterstützung des Reichskirchenministeriums und eines Versicherungskonzerns ermöglicht, die heute noch existierende Christi-Auferstehungskathedrale in Berlin-Wilmersdorf zu erbauen, die 1938 geweiht wurde.
Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges kam es zu einer Reihe kurzzeitiger Veränderungen, die die Orthodoxe Kirche in Deutschland betrafen. So wurde beispielsweise im Zuge des deutschen Überfalls auf Polen und dann auf die Sowjetunion der Jurisdiktionsbereich des Vorstehers der Diözese des orthodoxen Bischofs von Berlin und Deutschland zeitweise weit nach Osten erweitert. Denn die deutschen Besatzungsbehörden vertrauten lieber ihm die Leitung der dortigen Gemeinden und Kirchen an als den einheimischen Bischöfen. Dabei mag auch eine Rolle gespielt haben, dass der geborene Sachse Serafim (Lade: 1883 bis 1950) ab 1931 zuerst als Vikar und ab 1938 als Diözesanbischof von Berlin und Deutschland der russischen Orthodoxie in Deutschland vorstand. 1942 wurde Serafim zum Metropoliten von Mitteleuropa erhoben und von deutscher Seite mit weiteren Kompetenzen in den besetzten Gebieten Westrusslands ausgestattet. Dies trug ihm nach dem Krieg den Vorwurf ein, mit den Nationalsozialisten kollaboriert zu haben. Auch in Deutschland selbst wurde die Unterstellung aller orthodoxen Gemeinden unter Metropolit Serafim mit staatlicher Gewalt betrieben.
Diese kirchenpolitischen Veränderungen hatten allerdings nur so lange Bestand, wie die deutsche Herrschaft im Osten und das nationalsozialistische Regime währten: 1945 musste Metropolit Serafim nach München fliehen, wo er 1950 unter nie geklärten Umständen verstarb.
Die 2 Weltkriege
Die Aufbauarbeit Probst von Maltzews, der sogar den Rektorstuhl der St. Petersburger Akademie und den Bischofssitz von Nordamerika ausgeschlagen hatte, um in Deutschland bleiben zu können, wie auch anderer russischer Geistlicher wurde durch die Kriegserklärung des Deutschen Reiches an Russland vom 1. August 1914 abrupt unterbrochen. Während der Kriegsjahre kam das russische Gemeindeleben in Deutschland dann allenthalben zum Erliegen.
Demgegenüber stieg nach der Oktoberrevolution in Russland und der Machtergreifung der Bolschewisten beziehungsweise durch den nachfolgenden Bürgerkrieg die Zahl der Emigranten aus dem ehemaligen Russischen Reich in kürzester Zeit rapide an. So verzeichnete der Völkerbund 1923 rund 600 000 Emigranten aus dem ehemaligen Russischen Reich in Deutschland. Diese lebten allerdings meist an Orten oder in Gegenden, die mit orthodoxen Kirchen unterversorgt waren: Nicht die feudalen Kurorte der Vorkriegszeit vermochten die verarmten Emigranten zu beherbergen, sondern die Elendsviertel der Großstädte. Infolge der instabilen Wirtschaftslage verringerte sich zwar die Zahl der russischen Flüchtlinge im Deutschen Reich bald schon wieder, und bereits Mitte der Zwanziger Jahre zogen viele der russischen Emigranten weiter nach Frankreich, in die Tschechoslowakei, in die USA oder nach Südamerika. Eine nicht unerhebliche Anzahl russischer Flüchtlinge blieb jedoch, so dass durchaus an etlichen Orten ein Bedarf an der Gründung neuer orthodoxer Gemeinden bestand. Die meisten Emigranten waren aber viel zu arm, um sich neue eigene Kirchenbauten leisten oder auch nur den Unterhalt von angemieteten Räumen in repräsentativen Gebäuden und die Bezahlung der Geistlichen gewährleisten zu können. So existierten vor dem Zweiten Weltkrieg im Wesentlichen noch die gleichen Kirchenbauten wie vor dem Ersten. Lediglich in München, Augsburg, Breslau, Hannover-Linden und Danzig wurden russische orthodoxe Gemeinden gegründet, die jedoch über keine eigenen Kirchengebäude verfügten.
17. bis Anfang 20. Jahrhundert
Die erste Stätte im deutschen Sprachraum, an der regelmäßig orthodoxe Gottesdienste gefeiert worden sind, lag außerhalb des Territoriums des damaligen Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation. Es war Königsberg, die Hauptstadt des Herzogtums Preußen, das heutige Kaliningrad, wo seit 1655 russische orthodoxe Gottesdienste stattfanden. Bald wurden dann auch an anderen Orten orthodoxe Kirchen eingerichtet, so 1718 in Berlin, als Zar Peter I. dem preußischen König Friedrich Wilhelm I. eine Gruppe von 55 russischen Grenadieren für dessen Paradetruppe der „Langen Kerls“ überließ.
Nachdem Breslau unter preußische Herrschaft gekommen war, gewährte König Friedrich II. im Jahr 1750 den dort lebenden „Kaufleuten aus der Ukraine, russischer Nation“, „dass sie ihren Gottesdienst nach den Gebräuchen und Gewohnheiten der morgenländischen Kirche in einem zu solchem Behufe daselbst zu mietenden Hause einrichten und frei und ungehindert exerzieren und mit einem Priester und anderen benötigten Kirchenbedienten versehen mögen.“
In den Beginn des 19. Jahrhunderts fällt die Entstehung der ältesten heute noch bestehenden russischen Gemeinde auf deutschem Boden. Es handelte sich dabei ursprünglich um eine Gruppe von 62 russischen Soldaten, die Zar Alexander 1. 1813 seinem Verbündeten im Kampf gegen Napoleon, dem preußischen König Friedrich Wilhelm III. als Grundstock eines russischen Militärchores geschenkt hatte. Für sie errichtete der preußische König 1826 eine eigene Siedlung mit Holzhäusern im russischen Stil, die Kolonie „Alexandrowka“ bei Potsdam. Dort wurde auch eine Kirche zu Ehren des Heiligen Alexander von der Newa erbaut, die im September 1829 geweiht wurde.
In den nächsten Jahrzehnten wurden dann immer mehr russische orthodoxe Kirchen in Deutschland errichtet. Teilweise handelte es sich um Grabkirchen in Deutschland verstorbener orthodoxer Persönlichkeiten fürstlichen Standes, wie etwa bei der Kirche auf dem Rotenberg bei Untertürkheim in Württemberg, der 1861 erbauten „Griechischen Kapelle“ auf dem Neroberg in der damaligen hessen-nassauischen Residenzstadt Wiesbaden und dem 1862 geweihten Gotteshaus in Weimar, die alle Mausoleen für in Deutschland verstorbene russische Großfürstinnen darstellen. Andere Kirchen dienten den russischen Gesandtschaften für ihre Gottesdienste, beispielsweise in Berlin in der Russischen Botschaft Unter den Linden, in Dresden (erbaut 1874) und in Stuttgart (erbaut 1895). Wieder andere wurden in Kurorten errichtet, in denen zahlreiche russische, aber auch reiche rumänische, bulgarische und griechische Gäste erwartet wurden. So entstanden in Preußen die Kirchen in Bad Ems (1876) und Bad Homburg vor der Höhe (1899), im Großherzogtum Baden in Baden-Baden (1882), im Königreich Bayern in Bad Kissingen (1901) und Bad Brückenau (1908) und im Großherzogtum Hessen in Bad Nauheim (1907).Die Errichtung wieder anderer orthodoxer Gottesdienststätten hing mit dynastischen Verbindungen zwischen dem russischen Zaren und deutschen Fürstengeschlechtern zusammen. Diese befanden sich daher auch zumeist in Schlössern, wie in Schwerin und Karlsruhe, jede in deren Nähe wie in Darmstadt, wo die 1899 erbaute kleine Kirche auf der Margarethenhöhe ein Geschenk des Großherzogs Ernst Ludwig an seinen Schwager, Zar Nikolaus II. und seine Schwestern, die russische Zarin Alexandra und die Großfürstin Elisaweta Fjodorowna, darstellt.
Obwohl die orthodoxen Gemeinden bei den meisten der genannten Kirchen nur sehr klein waren und selten mehr als einige Dutzend Mitglieder zählten, wirkten doch etliche bedeutende Persönlichkeiten zeitweilig als Geistliche in Deutschland, wie beispielsweise der Protopresviter Ioann Janyschew (1826 bis 1910), in den Jahren 1866 bis 1883 Rektor der St. Petersburger Geistlichen Akademie und von 1883 bis 1910 Spiritual der Zarenfamilie, oder der langjährige Berliner Gesandschaftsgeistliche Probst Erzpriester Alexi von Maltzew (1854 bis 1916). Dieser hat eine bis heute in Hinblick auf Vollständigkeit und praktische Anordnung unübertroffene vielbändige Ausgabe der liturgischen Texte der Orthodoxen Kirche in deutscher Sprache, oft mit russisch-kirchenslawischem Paralltext, herausgegeben und somit die Basis für die Feier des russisch-orthodoxen Gottesdienstes in deutscher Sprache gelegt.